Wer sollte dieses Buch lesen?
Jeder, der sich für Verteilungsprobleme interessiert. Ich dachte vorm Lesen diese Buches erstmal, es würde um den Kapitalismus und die freie Marktwirtschaft gehen. Ja, das spielt auch eine Rolle, aber im wesentlichen beschreibt der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler der Harvard University Alvin Roth ganz allgemein das Thema Märkte und Marktplätze.
Dabei stehen im wesentlichen Märkte ohne Geldkomponente im Vordergrund. Es reicht von der Zuordnung von amerikanischen Schulkindern zur passenden Grundschule bis hin zur Verteilung von Spendernieren.
Alles ist ein Markt
Heutzutage haben wir häufig ein negatives Bild von Märkten. Eurowings hat wieder Düsseldorf→Palma im Preis erhöht, nur weil an dem Wochenende Season-Opening ist. Kapitalistenschweine! Der Markt ist schuld! Mallepreisbremse jetzt!

Aber auch die Parkplatzsuche auf der Hauptstraße ist ein Verteilungsmarkt. Nehmen wir an, ich fahre die Hauptstraße von Hausnummer 1 bis 100 entlang. Mein Lieblingsrestaurant mit der tollen neapolitanischen Pizza ist bei Nummer 80. Kurz vor Nummer 20 sehe ich einen freien Parkplatz und denke: “Naja, bevor ich drüber keinen mehr finde, nehme ich doch den und gehe zu Fuß.” Ihr könnt es Euch schon denken, was das Problem ist. Parallel fährt nämlich mein Kumpel Tim-Herbert von Hausnummer 100 in Richtung 1 und möchte ins Restaurant bei Nummer 20. Ratet mal, wo der parkt? Klar, vor meinem Lieblingsitaliener bei der 80, weil er eben auch denkt: “Nachher finde ich nichts mehr”. Am Ende haben wir ja sogar beide das Gefühl Recht zu behalten, weil vorm Restaurant der Platz ja wirklich weg ist, aber hätten wir beide einen besseren Zugang zu Informationen über das Angebot gehabt, hätten wir beide unsere Nachfrage besser befriedigen können. Da könnte doch mal jemand eine App für erfinden. Pustekuchen, gab es aber nicht. Das ist Marktversagen.
Das Ziel der Märkte ist Nettowohlfahrtsgewinn
“Nettowohlfahrtsgewinn” war in den wenigen VWL-Vorlesungen in meinem Leben mein absolutes Lieblingswort. Im Rheinland würde man wohl schlicht sagen “Dat is, wenn alle wat davon haben”. So ist es auch bei Märkten. Das Ziel des Marktdesigners (nicht unbedingt des Marktteilnehmers!) ist, dass möglichst viele das bekommen, was sie benötigen und, dass das Ganze nach unseren Werten funktioniert.

Wir alle kennen Schreckensvisionen davon, dass finanzielle Incentivierung zu mehr Organspenden führen kann, aber wir sind uns hier gesamtgesellschaftlich einig, dass das nicht unserem Wertebild entspricht.
Daher fanden Nierenspenden ursprünglich nur zwischen engen Verwandten oder Vertrauten und immer ohne Geldmittel statt. Klartext: Ich hab Niere kaputt, mein Bruder möchte mir eine Niere spenden, passt. Jetzt ist das Problem in der Medizin, dass vielleicht die Niere von meinem Bruder nicht zu mir passt, sondern zu meinem Nachbarn, der auch eine Niere braucht und auch einen Bruder hat, der eine zu mir passende Niere hat.
Was ich hier gerade in viel zu vielen Schachtelsätzen erkläre, kennt der Mediziner als “Überkreuz-Lebendspende”. Wenn sich also in der Nachbarschaft gut rumspricht, wer eine Niere braucht, dann funktioniert dieser Markt schon mal besser.
Ihr könnt es Euch schon denken – inzwischen gibt es ein ganzes Netzwerk von Kreuz-Spenden, quasi in Ketten hintereinander geschaltet und noch nicht konnten so viele Menschen Spendernieren erhalten wie aktuell. Der Markt hat hier für eine besseres Ergebnis gesorgt.
Möchte ich, dass mein Markt funktioniert?
Wie so ziemlich jeder Leser weiß, arbeite ich für die IT-Beratung mindsquare. Natürlich sind wir auch Teilnehmer eines Marktes, für mich aus Personalbrille natürlich vor allem Teilnehmer am Wettbewerb um Fachkräfte. Beim Lesen des Buches habe ich mich gefragt: Möchte ich überhaupt, dass diese Markt funktioniert? Also, dass möglichst viele Unternehmen Informatiker finden, das Ganze irgendwie fair verteilt ist und für alle passt?
Häh? Natürlich nicht. Ich möchte ein großes Stück vom Kuchen, wie nur möglich. Ich versuche mindsquare als Arbeitgeber (also als Markteilnehmer) möglichst attraktiv zu gestalten, tue alles für Mitarbeitende und sorge somit dafür, dass wir den Markt schlagen und mehr Informatiker einstellen können, als andere Unternehmen (jetzt bewerben!).
Plottwist: Gleichzeitig sind wir aber auch Marktplatz. Ein Großteil meiner Arbeit als Vorstand ist dafür zu sorgen, dass die maximale Anzahl an Kunden mit der maximal möglichen Anzahl an Consultants versorgt wird. Dafür stellen sich mir nicht nur Probleme wie “Wer hat Mittwoch Zeit?”, sondern genauso eben langfristigere Fragestellungen, wie “Wer wird in drei Jahren eigentlich unser KI-Projektmanager für das Projekt für Kunden, die wir heute noch gar nicht kennen?”. Eben weil Fachkräfte knapp sind und die Ausbildung dauert.
Ein klassisches Verteilungsproblem. Mitarbeiter wollen was zu tun. Kunden wollen Berater. Und ehrlicherweise sehe ich hier auch manchmal Marktversagen. Wenn plötzlich der Produktionsexperte als Hardcore-Tekki eingesetzt wird, weil der Kunde halt einfach mal froh ist, dass sich überhaupt jemand kümmert, dann ist das im Grunde doch das Gleiche, wie wenn bei Hausnummer 20 geparkt wird. Lösung ist dann natürlich auch klar: Wer schlägt dem Kunden jetzt die Überkreuz-Lebendspende vor?

Gerne mal Bezug nehmen. Welche Markt wollt Ihr gerne schlagen? Bei Krispy Kebab vordrängeln oder einfach nur auf Tinder lügen? ALLES IST EIN MARKT!
Mit diesem Artikel versuche ich übrigens andere Buchfluencer am Markt zu schlagen und hoffe, Ihr benutzt meinen Link:
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